Liebe Leserinnen und Leser,
warum fällt es einfacher, „sollte nicht“ zu befolgen statt
„sollte“? „Sollte nicht so spät nachts online sein.“ Erledigt. Ich
bin spät nachts online. „Sollte früh im Bett sein.“ Nicht wirklich.
„Sollte weniger süßes essen.“ Eine Tüte Gummibärchen hält
bei mir bestenfalls ein paar Tage. "Sollte mehr Obst und Gemüse essen." Ich reagiere allergisch auf einige Obstsorten und meine Meerschweinchen essen mehr Gemüse als ich. (Okay, wir teilen oft durch drei.)
Ich glaube, ein Teil der Frage ist zu beantworten in der Wortwahl.
Es ist ähnlich wie, wenn ich euch bitten würde "Denkt jetzt
nicht an einen blauen Elefanten." Woran denkt ihr? Ganz schlaue
unter euch würden möglicherweise antworten "An einen pinken
Elefanten." Ja, ja... Das ist eine harmlose Aufforderung, die
alle belächeln. Aber sie ist weniger witzig, wenn dabei etwas
passiert. Etwa, wenn die Mutter dem Kind sagt: "Schmeiß das
Glas nicht um." Ich kann dafür garantieren, dass die
Wahrscheinlichkeit, dass das Kind das Glas umschmeißt, ziemlich hoch
ist.
Manche sagen, dass das passiert, weil wir uns erst ein positives
Bild von dem machen müssen, was nicht passieren soll. Damit ihr
wisst, woran ihr nicht denken sollt, müsst ihr erst einmal den
blauen Elefanten im Kopf haben. Damit das Kind weiß, was es nicht
machen soll, hat es erst einmal ein Bild davon im Kopf, wie es das
Glas umwirft. Im Fall vom Kind ist das eher unbewusst, anders als
beim blauen Elefanten. Trotzdem ist beides im Kopf.
Im Deutschen ist es relativ harmlos soweit. Im Englischen ist das
ganze etwas komplizierter. Denn das Englische "not"
(nicht), "knot" (Knoten) und "nod" (nicken) ist,
wenn man sie ausspricht, in den ersten beiden Fällen gleich und vom
"nod" kaum zu unterscheiden. Was hilft ist da lediglich der
Gesamtzusammenhang. Für jemanden, der Englisch als Fremdsprache
gelernt hat, ist der Prozess, "not", "knot" und
"nod" jeweils richtig zu hören möglicherweise bewusster
als für jemanden, der Englisch als Muttersprache gelernt hat. In der
"richtigen" Situation kann es mir trotzdem passieren, dass
ich im Kopf ganz andere Dinge höre oder auch lese, wenn es ein Text
ist.
Als Hypnotiseur kann man damit wunderbar spielen. Es gibt
so genannte Refrainfragen (englisch: tag question). Die sind im
Englischen, meiner Meinung nach, einfacher und schöner einsetzbar.
Im Deutschen kommen sie nicht ganz so schön rüber. Dem Aussagesatz
wird dabei am Ende eine Frage angehängt. Eine einfache Sache, nicht
wahr? Der "Refrain" fällt im Deutschen praktisch weg. Im
Englischen ist er aber deutlich. "It's easy, isn't it?"
Oder, um einmal den Knoten wieder aufzugreifen: "It's easy, is
it not?" Und wie habt ihr auf diese Frage gerade höchst
wahrscheinlich reagiert? Mit einem (unbewussten) Nicken? Wunderbar!
Es gibt da noch etwas, was sich Ja-Haltung (yes-set) nennt und
wunderbar manipulativ eingesetzt werden kann. Gehen wir davon aus,
ich möchte, dass mein Gegenüber eine bestimmte Sache macht oder
positiv eingestellt ist zu einer Sache. Das ganze baue ich auf durch
eine Reihe von Fragen oder Aussagen, von denen ich weiß, dass die Antwort
„ja“ ist oder dass die Person zustimmen wird. Die Person ist also
auf „ja“, positiv und Nicken programmiert und stimmt letztlich
dann auch der Sache oder Aussage zu, von der ich will, dass die
Person zustimmt. Aber: wenn jemand eine Reihe von Fragen stellt und
ich alle immer wieder mit „ja“ beantworte, fällt das auf. Dazu
braucht man kein Hypnotiseur sein. Man kann das ganze variieren,
indem man Fragen negativ formuliert und das Negative bestätigt wird.
Beispiel: „Kinder sollten wirklich nicht mit Feuer spielen.“ Ihr
stimmt der Aussage zu, aber schüttelt dabei bestätigend den Kopf
oder äußert ein „nein“ als Bestätigung. Obwohl ihr „nein“
sagt bzw. den Kopf verneinend schüttelt, seid ihr trotzdem positiv
meiner Aussage gegenüber eingestellt und stimmt mir zu.
Bis zum nächsten Blog,
sarah
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