Freitag, 20. Juni 2014

Zwei einhalb Kulturen

Liebe Leserinnen und Leser,

es gibt zwei große Kulturen der Menschen. Das eine sind die Naturvölker, vor allem früher auch Wilde genannt. Sie lebten und leben seit sie denken können ohne wesentliche Veränderungen und vor allem leben sie im Einklang mit dem Teil der Welt um sie herum. Die anderen nennen sich Zivilisierte, breiten sich über den gesamten Planeten aus und zerstören nicht nur den Planeten. Ihre Lebensweise ist so fordernd, dass viele krank sind und sie möglicherweise sich selbst damit auch kaputt machen. Viele sind derart verzweifelt, dass sie sich tatsächlich selbst töten. Freilich ist nicht jede Tötung eindeutig auf diese seltsame Lebensweise zurückzuführen.

Daniel Quinn nutzt in seinem Buch Ismael (Original: Ishmael) ein anderes Wortpaar für diese beiden Kulturen. Obwohl er eine Kultur als zerstörerisch beschreibt, will er dennoch weg von den grundsätzlichen Vorurteilen, mit denen Zivilisierte und Naturvölker oder gar Wilde besetzt sind. Angelehnt an den Spruch "nimm oder lass es" (take it or leave it) kommt er auf "Nehmer" (Takers) für die Zivilisierten und "Lasser" für die Naturvölker. Man kann sich nun darüber streiten, wie viel Sinn es macht, ein neues Wortpaar zu nutzen. So wie andere Dinge umbenannt werden, um vom jeweiligen schlechten Image wegzukommen. Daniel Quinn selber ist mittlerweile wieder dazu übergegangen von Zivilisierten und Naturvölkern zu schreiben. Seine Bücher, nicht nur Ismael/Ishmael sind durchaus bekannt. Möglicherweise ist er von seinem Wortpaar wieder abgekommen, weil es am Ende doch kaum eine Rolle spielt, wie die beiden Völker bezeichnet werden.

Auf einen Aspekt möchte ich unabhängig davon noch aufmerksam machen. Daniel Quinn betont, dass es keine eine richtige Lebensweise für die Menschen gibt. Obwohl die Zivilisierten sich ausbreiten und damit genau diesen Gedanken verbreiten. Nämlich dass ihre Lebensweise die richtige und erstrebenswert für alle Menschen ist. Andererseits ist es deutlich, dass die Lebensweise der Naturvölker weitaus ruhiger für die Menschen ist und auch weniger belastend für die Umgebung der Menschen mit dieser Lebensweise. Wenn die Zivilisierten so zerstörerisch in ihrer Lebensweise sind, wäre es möglicherweise doch besser, wenn diese Kultur und Lebensweise zestört würde. Zumal damit auch die Zerstörung der Erde durch den Menschen aufhört. (Ob damit auch der Klimawandel aufhört und die Erde insgesamt "stabil" bleiben würde ist ein anderes zweifelhaftes Thema.) Ich gehe davon aus, dass die Naturvölker eher nur sich selbst verteidigen würden, aber nicht von sich aus die Zivilisierten angreifen würden. Diese, so hat die Geschichte gezeigt, sind ohnehin viel zu mächtig. Eine Zerstörung der Zivilisation zur Rettung der Erde würde also von innen heraus geschehen. Von Menschen, die unzufrieden sind mit dieser Lebensweise und dem ein Ende setzen wollen. Aber, wenn die Zivilisation voraussichtlich nur von Zivilisierten zerstört wird, würden die Kämpfer dann letztlich nicht sich selbst bekämpfen? Vielleicht sind sie so etwas wie zwischen den beiden Kulturen. Eine halbe Kultur?

Außerdem, was ist, wenn die Zivilisation mit all ihren Fehlern nur ein Zwischenschritt ist für die Menschheit zur nächsten Stufe? Ähnlich wie ein Kind erst unbeholfen krabbelt, ehe es lernt zu laufen? Woran würden wir erkennen können, ob die Zivilisation eher ein Virus ist, etwas das besser zerstört sein sollte zum Schutz aller anderen oder ob es nur eine unbeholfene Zwischenstufe zu etwas viel besserem ist?

Immerhin: mehr und mehr junge Indianer zeigen wieder Interesse an ihrer eigenen Kultur und auch allgemein wahrzunehmen, dass sich Menschen wieder Selbstversorgung, Feuer machen und ähnliche damit verbundenen Themen interessieren. Ich weiß nicht, wie viel so etwas wirklich letztlich bringt. Zumindest geht das Wissen darüber durch solche interessierten Menschen nicht verloren. Bringt es der Erde wirklich etwas? Könnten die Zivilisierten, die bisher dieses Interesse hatten tatsächlich bei einem Zusammenbruch der Zivilisation so leben? Keine Ahnung. Möglicherweise wird das die Zukunft zeigen, wenn es soweit ist.

Bis zum nächsten Blog,
sarah

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