Liebe Leserinnen und Leser,
es gibt selbst unter Fachleuten immer
wieder Diskussionen, was Hypnose ist und was Trance ist. Viele, auch
Hypnotherapeuten, reden mit Klienten oder Neulingen davon jemanden
„in Hypnose zu versetzen“. Ich selbst stimme eher Milton Erickson
zu, der einmal schrieb, dass Trance ein Bewusstseinszustand ist und
Hypnose der Weg oder die Methode dort hin. James Tripp wiederum ist
bekannt für seine „hypnosis without trance“.
Ich glaube, in einem dürften sich die
meisten Leute einig sein: nämlich dass dieser veränderte
Bewusstseinszustand, ob wir ihn nun Trance oder Hypnose nennen, ein
alltägliches Phänomen darstellt. Für diesen Bewusstseinszustand
braucht es nicht einmal zwingend eine zweite Person und nicht
unbedingt Worte. Im Folgenden möchte ich ein paar typische Beispiele
beschreiben und was für ein Phänomen dahinter stecken.
Ein typisches Beispiel für Amnesie,
also Gedächtnisverlust, ist wenn man von einem Ort zu einem anderen
fährt und am Ziel angekommen, keine Erinnerung mehr daran hat, wie
man dort hin gekommen ist. Ich meine nicht, dass man vergessen hätte,
ob man mit dem Auto oder Bus gefahren ist, sondern Details über die
Strecke oder Vorkommnisse auf dem Weg. Irrelevante Details werden
ausgeblendet.
An einem Arbeitstag bei der Alzheimer
Gesellschaft (ausgerechnet dort!) erlebte ich auch einmal, dass
mehrere Kollegen zu unterschiedlichen Zeitpunkten in den Raum kamen
und obwohl nichts und niemand sie unterbrochen hatte in ihrer
Handlung, kamen sie rein und stockten sofort mit einem verzweifelten
Blick und der Frage: „Was wollte ich hier?“ Oder: „Warum bin
ich hier?“ Obwohl die anderen Anwesenden sie nicht unterbrochen
haben, hatte etwas oder jemand auf dem Weg sie in ihren
ursprünglichen Gedanken gestört, die sie zu diesem Raum geführt
hatten. Der ursprüngliche Gedanke war überdeckt von anderen und
damit der Grund in den Raum zu kommen vergessen.
Die bereits im vorigen Eintrag erwähnte
Augenfixation erfordert unbedingt eine glänzende Scheibe als
Fixierpunkt, genau so wenig wie eine pendelnde Taschenuhr. Vor allem
Kinder können ganz einfach durch eine brennende Kerze genau so gut
in sich versinken. Ich selbst musste einmal bei einem Arzt über drei
Stunden im Wartezimmer warten. Zeitschriften waren zwar ausgelegt und
ich hatte auch ziemlich sicher ein Buch dabei, aber ich starrte nur
auf die Wand gegenüber von mir und hoffte bloß inständig, dass ich
noch genug anwesend war und schnell genug reagieren würde, wenn ich
endlich einmal aufgerufen würde. Da ich mich bewusst nur wenig
später wieder aus diesem Zustand heraus holte, verpasste ich meinen
Aufruf tatsächlich nicht. Alles, was ich brauchte war einen Punkt
und die Wand hatte nichts besonderes an sich, sie war schlicht weiß.
Man wählt nur oft gerne einen leuchtenden oder glitzernden Punkt,
weil dieser wohl eben durch die Helligkeit auffällig ist.
Immer wieder kann es auch passieren,
dass wir einen blauen Fleck an uns entdecken, aber keine Erinnerung
mehr daran haben, uns gestoßen zu haben. Das ist nichts anderes als
Schmerzkontrolle, Anästhesie und damit Trance bzw. Hypnose. Das gilt
auch für die Möglichkeiten der Schmerzkontrolle, die ich bereits in
einem vorigen Eintrag erwähnt hatte, auch wenn ich in diesem Eintrag
bewusst auf die Worte Trance und Hypnose verzichtete.
Zwei Phänomene sind bei Kindern sehr
typisch und sollten, meiner Meinung nach, weil es sich um Kinder
handelt, nicht all zu negativ oder böse gesehen werden. Das eine ist
positiv halluzinieren: das heißt etwas zu sehen, was nicht real
existiert. So wird beispielsweise immer wieder von Kindern berichtet,
die „unsichtbare Freunde“ haben. Eine Umkehrung des Phänomens
wäre das negativ Halluzinieren: besonders ärgerlich, wenn man zum
Beispiel gerade wegfahren will und seine Hausschlüssel oder
Autoschlüssel nicht findet, viele Male einen Tisch nach ihnen
absucht und nach vielen vergeblichen Versuchen steht man nun wieder
vor dem Tisch und plötzlich sind die Schlüssel ganz offen und
deutlich sichtbar auf dem Tisch. Warum haben wir sie vorher nicht
gesehen?
Doch das negativ Halluzinieren ist
nicht nur beschränkt auf das Sehen. Zum Ärger der Eltern sind
Kinder manchmal derart in ihrer Welt versunken, dass sie die Rufe der
Eltern gar nicht hören. Das ist nicht unbedingt böswilliges
Weghören, sondern kann auch einfach ein Zeichen sein, dass die
Kinder so tief versunken sind in ihre Aktivitäten, dass alle Reize,
die nicht unmittelbar zur Aktivität gehören ausgeblendet werden.
Liebe Eltern: das ist ein normales Phänomen! In diesem Zusammenhang
ist bei vermeintlich häufig trotzigen Kindern festzustellen, ob sie
sich bewusst verweigern als Verhaltensproblem, Hörprobleme haben
oder versunken in ihre Aktivitäten sind und dadurch nicht hören.
Die Reformpädagogin Maria Montessori beschrieb das Phänomen von
Kindern, die völlig versunken sind und wo andere deutlich laute
Kinder diese sie in keiner Weise ablenkten oder störten. Soweit ich
weiß hat Montessori dabei nie von Hypnose oder Trance geschrieben
oder gesprochen. Wobei ich nur einige Grundprinzipien ihrer Gedanken
im Studium kennen lernte. Den Begriff, den Montessori benutzte für
diesen konzentrierten Bewusstseinszustand ist „flow“.
Buchliebhaber und Filmfans wissen, wie
bei einem guten Buch oder Film sehr schnell Stunden vergehen können,
die wie Minuten erscheinen. Zeitverzerrung ist auch ein typisches
Trance- bzw. Hypnose-Phänomen. Leider nutzen wir dieses Phänomen
oft nicht zu unseren Gunsten aus. Damit verfliegen schöne Momente
viel zu schnell und Situationen, die wir am liebsten schnell hinter
uns bringen wollen ziehen sich wie Kaugummi. Es gibt Möglichkeiten,
die Wahrnehmung zu unseren Gunsten zu manipulieren. Nicht nur, dass
uns warm sein kann, wenn es objektiv kalt ist oder umgekehrt, auch
unsere Wahrnehmung der Zeit können wir bewusst beeinflussen. Wir
müssen nur herausfinden, wie unsere individuelle Zeitwahrnehmung
funktioniert und durch welch Faktoren sie beeinflusst wird.
Einer meiner Lieblingsphänomene ist
die „Ampel-Trance“, wie ich sie nenne. Eine Reihe Autos steht an
der roten Ampel. Alle starren auf die Ampel und wenn die Ampel
umspringt ist unweigerlich immer mal auch ein Autofahrer dabei, der
nicht umspringt. Das merken wir daran, dass ein Fahrer der hinteren
Autos dann ungeduldig hupt. Auch hier ist die bereits erwähnte
Augenfixation „Schuld“ daran.
Ich hoffe, ich konnte ein wenig
deutlich machen, dass Trance bzw. Hypnose etwas normales, sogar
alltägliches ist. Oft benennen wir es nur nicht mit diesen
Begriffen. Ich würde mir wünschen, dass die Menschen weniger Angst
vor den Begriffen und Phänomenen haben, die mit Trance und Hypnose
verbunden sind. Leider denken noch heute viele, dass Hypnose etwas
mit Kontrollverlust zu tun hat und man damit zum bösen Verbrecher
wird oder bei Hypnose-Shows sich völlig lächerlich macht. Hypnose
ist weitaus mehr als das. Vor allem ist es etwas völlig normales.
Die von mir hier genannten Phänomene sind nur ein paar Beispiele.
Vielleicht fallen euch selbst Situationen ein, die ihr erlebt habt.
Wenn ihr sie mitteilen wollt, schreibt einen Kommentar. Ich würde
mich freuen von euch zu lesen.
Bis zum nächsten Blog,
sarah
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