Samstag, 31. Dezember 2016

Die Amsel

Liebe Leserinnen und Leser,

ich wollte noch kurz beim Penny Salat für die Meerschweinchen holen und ging die Straße entlang, als mir nah am Straßenrand ein dunkler Haufen auffiel. Als ich näher kam, sah ich, dass es eine tote Amsel war. Ein Flügel war abgespreizt. Vermutlich im Flug von einem Auto erwischt. Mir war sofort klar, dass ich sie aufheben und in den Park gegenüber bringen würde. Aber ich wollte sie nicht mit den Händen anfassen und es war nicht so kalt, dass ich Handschuhe dabei hatte. Also bin ich erst einkaufen gegangen und nahm mir von dort als erstes eine kleine Tüte von der Obst- und Gemüseabteilung. Ich steckte die Tüte in die Jackentasche und griff nach dem Salat und bezahlte dann an der Kasse. Den Salat steckte ich in meinen Rucksack.

Auf dem Rückweg wendete ich die Tüte, so dass das Innere außen war und steckte sie wieder in die Jackentasche. Eine Querstraße vor der Amsel bemerkte ich, dass jemand hinter mir ging. Ich wollte nicht, dass jemand mich sah, also ging ich ein kleines bisschen langsamer und die Person überholte mich nach wenigen Schritten dann auch.

Als ich kurz vor der Amsel war, schaute ich mich noch kurz um, ob jemand in der Nähe war. Das war nicht der Fall. Ich bückte mich und indem ich die Tüte wieder wendete, bemühte ich mich vorsichtig die Amsel in die Tüte zu bekommen. Ich hielt eine Hand unter die Amsel und den anderen Arm und die Hand seitlich darum. So ging ich ein Stück die Straße wieder zurück zur Kreuzung und wartete, um auf die andere Straßenseite zu kommen. Ich ging die großen Treppen zum Park rauf und stellte fest, dass ich ziemlich untrainiert bin. Jemandem, der sportlicher ist als ich, wäre es einfacher gefallen, die Treppen zu gehen, auch wenn ich nicht aus der Puste war. Oben angekommen hielt ich mich rechts. Ich ging am Spielplatz vorbei. Ich wollte Bäume und etwas weicheres als Weg haben, um die Amsel dort hinzulegen. Kaum Leute unterwegs. Ich hätte erwartet, dass mehr Leute die Gelegenheit für einen Spaziergang im alten Jahr nutzten. Ein Paar ging mit Abstand hinter mir. Ich wollte nicht, dass sie mich sehen, wie ich die Amsel ablegte. Ich war nicht sicher, was andere davon halten würden, wenn ich einen toten Vogel im Park ablegte. Ich ging also ein wenig schneller, um noch mehr Abstand zwischen mich und dem Paar zu bringen. Knapp hinter einer Brücke waren mehrere Bäume, die nah zusammenstanden. Das schien mir ein guter Platz. Aber ich musste mich beeilen. Ich hockte mich hin, faltete die Tüte vorsichtig an den Seiten nach unten, so dass sie nur noch unter meiner Hand war. So konnte ich die Amsel auf den Boden legen. Lebe wohl, Amsel. Mögest dein Tod der letzte in diesem Jahr sein. Jetzt schnell aufstehen. Die Tüte ging wieder mit. Aber ich behielt sie jetzt zusammengeknüllt in der Hand. Das Pärchen war nah. Hatten sie gesehen, was ich getan hatte? Ich ging schnell ein Stück zurück und dann den Weg rechts entlang. Hatten sie gesehen, was ich getan hatte? Noch immer keine Rufe. Im Grunde war es sowieso egal. Die Amsel gehörte in den Park, nicht von der Müllabfuhr oder ähnliches abgeholt und in irgendeinem Ofen verbrannt oder was auch immer mit toten Tieren getan wird.

Zurück zum Parkeingang. Die Tüte landete im nächsten Mülleimer. Mir war nicht danach, wieder an der Ampel zu warten, also nutzte ich den Eingang hinunter zur U-Bahn, um auf der anderen Seite wieder raus zu gehen und so die Straßenseite zu wechseln. Zurück nachhause. Hoffentlich war die Amsel der letzte Tod in diesem Jahr.

Bis zum nächsten Blog,
sarah