Dienstag, 31. Oktober 2017

Das Genie der Masken

Halloween. Die Zeit der Kostüme und Verkleidungen. Einer der wenigen Tage im Jahr, in der sie akzeptiert sind und bewusst und offener auch in der Öffentlichkeit getragen werden als sonst. Zeit für mich, einen Beitrag zu schreiben über Masken, eine Art der Verkleidung für das Gesicht.

Asiatische Kulturen und auch Filme sind mir eher unbekannt. Es entspricht einfach nicht meinem Interessengebiet, dass ich mir asiatische Filme ansehe oder näher mit diesen Kulturen auseinandersetze, zumindest nicht im näheren Detail. Ein Freund, mit dem ich bisher nur über E-Mails Kontakt hatte, schrieb mir vor einer Weile, dass ihn die ausdruckslosen Masken des japanischen No Theaters faszinieren.

Vor zwei Tagen schaute ich den alten Zweiteiler „Es“ (aus dem Jahr 1990). Kein Wunder, dass Leute Angst vor Clowns haben nach so einem Film. Clowns geschminkt oder mit Masken machen vielen Menschen Angst. Ich selbst kann es nicht ganz nachvollziehen. Es gibt gruselige Masken und speziell Clownmasken. Zusammen mit dem aggressiven Verhalten der Maskenträger im letzten Jahr, kann ich die Angst vor diesen Leuten nachvollziehen, nicht aber die allgemeine und grundsätzliche Angst vor Clowns als solche. Das meine ich nicht als Vorwurf. Ich würde gerne verstehen, was den Leuten so Angst macht an Clowns. Vielleicht gibt es hier Leser, die diese Angst vor Clowns haben und sie erklären können. Schreibt mir gerne in den Kommentaren!

Masken von Verbrechern sind dazu gedacht, die wahre Identität zu verschleiern, damit sie unerkannt sind und somit einer Strafe entgehen können. Superhelden wiederum nutzen Masken, um ihre eigene Identität zu schützen vor den Verbrechern, die sie sonst möglicherweise ohne ihren Schutz des restlichen Kostüms und dazugehöriger Waffen leichter verletzen oder sogar töten könnten. Aber auch das Leben der Personen, die den Superhelden lieb sind, sind durch die Masken der Helden geschützt. Denn es kann ein Druckmittel für die Verbrecher sein, wichtige Personen zu entführen und ihr Leben zu bedrohen, um den Superhelden zu gewissen Taten zu zwingen wie zum Beispiel in „The Dark Knight“ zu sehen, nachdem der Joker erfahren hat, dass Batman/Bruce Wayne sehr an Rachel Dawes gelegen ist und der Joker sie entführen lässt.

Eine Maske der besonderen Art trägt der Antiheld Rorschach aus „Watchmen“ von Alan Moore und Dave Gibbons. Als Rorschach im Verlauf der Geschichte gefasst wird, beschreibt der Psychiater, der mit ihm Gespräche führt, ihn körperlich als „auf faszinierende Weise hässlich“ (fascinatingly ugly). Der Name Rorschach hat seinen Ursprung in dem vom Psychiater und Psychoanalytiker Hermann Rorschach entwickelten und nach ihm benannten „Rorschach Test“, bei dem Tintenflecken Bilder beurteilt und gedeutet werden sollen nach dem, was der Befragte in ihnen sieht. Die Flecken sind alle symmetrisch und meist schwarz. Es gibt auch einige Karten mit Farben. Rorschach aus Watchmen hat als junger Mann mit Stoffen gearbeitet und dabei speziell einen Stoff bekommen, der weiß ist als Grundfarbe mit schwarzen, sich kontinuierlich bewegenden Flecken. Ursprünglich schneiderte er daraus ein Kleid, das von der Kundin dann jedoch als hässlich abgelehnt wird. Später nutzt er den Stoff und macht sich daraus eine Maske, die symmetrische schwarze Flecken hat, die sich verändern. Rorschach nennt diese Maske sein „Gesicht“. Als er nach einem Hinterhalt von der Polizei gefasst wird, wird ihm die Maske heruntergerissen und er ruft: „Mein Gesicht! Gebt es mir zurück!“ (No! My face! Give it back!) Unabhängig von Rorschachs eigener Einstellung zu seiner Maske, scheint diese Bezeichnung von „mein Gesicht“ für seine (eigentlich) Maske durchaus treffend. Ein Gesicht ist normalerweise beweglich und verändert sich in Abhängigkeit mit den Emotionen. Der Psychiater stellt fest, dass Rorschachs Gesicht ausdruckslos ist und empfindet es daher schwierig festzustellen, was emotional tatsächlich in ihm vorgeht. Unabhängig von Rorschachs eigener Einstellung zu seiner (eigentlich) Maske, scheint seine Bezeichnung von „mein Gesicht“ in diesem Fall also durchaus zutreffend. Seine (eigentliche) Maske ist beweglich und sein (eigentliches) Gesicht ausdruckslos oder unbeweglich wie andere Masken es sonst sind. Es fällt dem Leser oder auch Zuschauer des Films nicht unbedingt auf, aber die Flecken auf Rorschachs „Gesicht“ sind nicht nur beweglich, sondern tatsächlich eng verbunden mit seinen Emotionen und zeigen in unterschiedlichen Momenten, in denen ähnliche oder die gleiche Emotion zu vermuten ist auch identische Fleckenmuster!

Ich möchte noch auf den Beitrag „The Hidden Genius of RORSCHACH's Mask! (Watchmen)“ von Scott Niswander von NerdSync hinweisen. Er weist in seinem Beitrag unter anderem auch auf die Tatsache hin, dass die Demaskierung und der Zeitpunkt der Demaskierung oft etwas seltsam gewählt scheint. Meistens ist die maskierte Person bewusstlos oder zumindest gefesselt oder anders an Widerstand gehindert und ihre Identität unbekannt. Die Entfernung der Maske stellt daher eine Art Demütigung dar, weil damit die Identität bekannt wird, mindestens für die Person, die der maskierten Person die Maske entfernt. Interessant dabei ist, dass dadurch die Möglichkeit besteht, die maskierte Person völlig auszuschalten, will sagen zu töten. Aber die Demaskierung und damit Lüftung des Geheimnisses, wer hinter der Maske steckt, scheint oft ein größeres Verlangen zu sein von der Person, die in dem Moment bei der maskierten Person ist. Scott Niswander nennt dabei eine Szene aus „Spider-Man 2“ und „The Dark Knight“.

Im Hinblick auf Demaskierungen bzw. Entfernung der Maske sei noch einmal auf Watchmen verwiesen.Rorschachs wahre Identität (oder in seinem Fall vielleicht besser: Identität ohne „sein Gesicht“) wird im Verlauf der Geschichte durch die erwähnte Festnahme dem Leser und den anderen Figuren der Geschichte bekannt. Er hat für die letzte Schacht trotzdem „sein Gesicht“. Normalerweise würde jede maskierte Person sich wehren, wenn auch nur gedroht wird, dass die Maske entfernt wird. Verständlich, denn es steht die bis dahin geheime Identität auf dem Spiel und auch möglicherweise der Schutz geliebter Personen, wie oben erwähnt. Auch Rorschach versucht sich zu wehren und schreit bei der Festnahme nach seinem Gesicht. Am Ende von Watchmen jedoch entfernt er selbst sein Gesicht, seine Maske und stellt sich seinem letzten Gegner auf diese Weise.

2012 kam eine Reihe von Büchern auf den Markt, die einzelne Charaktere von Watchmen vor den Ereignissen aus Watchmen behandelten. Entsprechend heißt die Serie „Before Watchmen“. Natürlich gibt es auch eine Geschichte von Rorschach von Brian Azzarello und Lee Bermejo. Die Geschichte selbst scheint damals wie heute den meisten eher nicht zu gefallen. Wie alle Geschichten ist dies meiner Meinung nach Ansichtssache und die Ansichten sind von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Zum Thema Demaskierung gibt es allerdings auch in „Before Watchmen: Rorschach“ einen interessanten Moment. Rorschach wird im Verlauf der Geschichte von einem Bösen und mehreren Handlangern verprügelt und wird schließlich festgehalten von Handlangern. Einer der anderen Handlanger ist neugierig und will Rorschach die Maske entfernen, um zu sehen, wie dieser gefürchtete Rorschach ohne Maske aussieht. Doch sein Boss hält ihn zurück und ist merklich enttäuscht von dem eher kleinen Mann (in Watchmen als 168 cm angegeben), der zu einfach zu fassen nun wehrlos vor ihm ist: „Rorschach. Hm, irgendwie dachte ich... Mann, du bist deinem Mythos nicht gerecht, ich meine, da denke ich mir diesen gewieften Plan aus nur um dich zu kriegen? Was habe ich nur gedacht? Der große Rorschach. Nicht so groß. Ehrlich, ich bin enttäuscht, dass ich auf dein Niveau runtergehe. He-- nicht doch, Lucky. Willst wissen, was unter der Maske ist? Nichts von Bedeutung. Nur 'ne weitere Leiche.“ (Rorschach. Huh. For some reason, I thought... Dude, you don't measure up to your myth. I mean, what the hell? I cocked up this elaboriate sceme ust to take you down? What was I thinking? Big bad Rorschach. Well, bad anyway Frankly, I'mdisappointed in myself. That I stooped to your level. No, no, lucky Pierre. You know what's under that mask? Nothing that matters. In tis case, the mask makes the corpse.) Nachdem sie ihn noch mehr verprügeln und vermeintlich sterbend liegen lassen, fügt er noch hinzu: „Und 'ne Schlagzeile.“ (And the front page.“) In einem anderen Moment der Geschichte bekommt einer der Bösen Rorschachs Maske in die Finger und kann so für einen Moment Rorschachs Identität annehmen, denn wenn niemand weiß, wer hinter der Maske steckt, könnten eine Menge Leute darunter stecken. Hrhrm...